Nachhaltigkeit

Pflanzliche Produktion
Direktsaat: Nachhaltige Landwirtschaft unter Verzicht auf Bodenbearbeitung

Rolf Derpsch, Teamleiter
GTZ- Projekt "Bodenkonservierende Landnutzungssysteme"
Casilla de Correo 1859, Asunción, Paraguay

Miguel Florentín
Ministerio de Agricultura y Ganadería (MAG)
Dirección de Investigación Agrícola (DIA)
Campo Experimental de Choré, Choré, Paraguay

Abstract: Veröffentlicht in: Entwicklung + Ländlicher Raum, Heft 4, 2000

War die Einführung des modernen Wendepfluges in die Tropen und Subtropen ein historischer Fehler? Ist die Bodenbearbeitung in wärmeren Regionen noch zeitgemäß? 28 Jahre nach Einführung der Direktsaat in Südamerika und 38 Jahre nachdem der erste Landwirt in den USA das Verfahren einführte, zeigen Versuchsergebnisse und praktische Erfahrungen, dass die Bodenbearbeitung eher schädlich als nützlich ist.

Direktsaat ist ein integrierter Ansatz für das nachhaltige Management von Land und Bodenressourcen, wobei auf die Bodenbearbeitung ganz verzichtet wird und eine permanente Mulchschicht den Boden schützt.

Das Verfahren ist im englischen Sprachraum unter no- tillage, zero- tillage, oder direct drilling bekannt. Im französischen Sprachraum wird es agriculture de couverture du sol genannt. Die französische Bezeichnung ist treffender, da das Wichtigste am System die permanente Bodenbedeckung mit Pflanzenresten und/ oder mit wachsenden Pflanzen ist. Hiermit soll deutlich gemacht werden, dass es sich um ein System handelt, welches den Einsatz von Gründüngung und Fruchtfolgen erfordert. Das bedeutet, dass das Weglassen der Bodenbearbeitung noch lange keine Direktsaat ausmacht. Wenn im Folgenden von Direktsaat gesprochen wird, dann ist das Direktsaatsystem gemeint, in dem auf die Bodenbearbeitung grundsätzlich verzichtet wird und eine Mulchschicht den Boden ständig bedeckt.

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Das Problem des tropischen Ackerbaus

Das Kernproblem des herkömmlichen Ackerbaus mit intensiver Bodenbearbeitung in den Tropen und Subtropen ist die mit der Dauer der Nutzung verbundene abnehmende Ertragsfähigkeit der Böden.

Sinken die Erträge unterhalb der Wirtschaftlichkeitsgrenze, verlassen ihre Bauern ihre Felder. Ist es nicht möglich auf Ersatzflächen auszuweichen, entsteht Landflucht. Die Ursachen für die abnehmende Ertragsfähigkeit der Böden bei Anwendung des herkömmlichen Ackerbaus mit intensiver Bodenbearbeitung sind insbesondere das Auftreten von Erosion und der schnelle Abbau der organischen Substanz. Fortschritte in der Anbautechnik, Pflanzenzüchtung, Düngung und Pflanzenschutz können zwar vorübergehend über diese Tatsache hinwegtäuschen, die Tendenz ist jedoch klar festzustellen und wird durch eine FAO-Studie untermauert (Kelly, 1983). Demnach ist bereits in dem kurzem Zeitraum zwischen den Jahren 1980 und 2000 mit einem Verlust des Ertragspotentials der Kulturen von 15 Prozent in Afrika, von 19 Prozent in Südostasien und von 41 Prozent in Südwestasien zu rechnen.

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Die Gesetze der abnehmenden Ertragsfähigkeit tropischer Böden

  1. Jedes Anbausystem, welches ständig an den Humusvorräten des Bodens zehrt, ist nicht nachhaltig und hat die Verarmung des Bodens und der Menschen zur Folge.
  2. Die wiederholte und intensive Bodenbearbeitung führt im Ackerbau der Tropen und Subtropen zu einer schnellen Mineralisierung der organischen Substanz und zwar in Raten, die im allgemeinen höher sind als die Möglichkeit des Ersatzes. Dies führt im Laufe der Jahre zu abnehmenden Gehalten an organischer Substanz im Boden und zu einer abnehmenden Ertragsfähigkeit der Böden.
  3. Die wiederholte und intensive Bodenbearbeitung im Ackerbau führt aufgrund der Bloßlegung des Bodens und der Klimabedingungen der Tropen und Subtropen zu Wind- und/ oder Wassererosion und somit zu Bodenverlusten, die im allgemeinen höher sind als die natürliche Bodenregeneration. Dies führt im Laufe der Jahre zu einer abnehmenden Ertragsfähigkeit der Böden.
  4. Die intensive Bodenbearbeitung führt in den Tropen und Subtropen im allgemeinen zur einer Schädigung der Bodenstruktur, zu erhöhten Bodentemperaturen und zu einer reduzierten Bodenfeuchtigkeit. Dies wirkt sich negativ auf das Wurzelwachstum, auf die Bodenflora und -fauna sowie auf die bodenbiologischen Prozesse aus und hat im Laufe der Jahre eine abnehmende Ertragsfähigkeit der Böden zur Folge.
  5. Jedes Anbausystem, in dem wichtige Nährstoffreserven durch Ernten oder durch Bodenausbeute (Extraktion ohne Ersatz), durch Verflüchtigung (z.B. durch wiederholtes Brennen) und/ oder durch Auswaschung (z.B. durch Brache ohne Pflanzenbewuchs) vorkommen, ist nicht nachhaltig und hat die Verarmung des Bodens und der Menschen zur Folge.

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Auswirkungen der Direktsaat auf die Bodeneigenschaften

Wissenschaftliche Untersuchungen aus den Tropen und Subtropen zeigen, dass sich die Direktsaat, im Vergleich zur konventionellen Bodenbearbeitung mit dem Pflug positiv auf die chemischen, physikalischen und biologischen Bodeneigenschaften, also auf die Bodenfruchtbarkeit auswirkt. Zum einen, weil die Bodenverluste durch Erosion fast ausgeschaltet werden, zum anderen, weil die Gehalte an organischer Substanz im Boden nicht nur erhalten, sondern sogar erhöht werden, und weil keine Schädigung der Bodenstruktur oder der bodenbiologischen Prozesse stattfindet.

Auswirkungen auf chemische Bodeneigenschaften

Die Direktsaat wirkt sich im Vergleich zur konventionellen Bodenbearbeitung positiv auf die wichtigsten chemischen Eigenschaften des Bodens aus. Unter Direktsaat werden im Oberboden im allgemeinen höhere Werte an organischer Substanz, Stickstoff, Phosphor, Kali, Kalzium, Magnesium, höhere pH- Werte als auch eine höhere Kationenaustauschkapazität, dagegen geringere Al- Werte, gemessen (Lal, 1976; Sidiras und Pavan, 1985; GTZ, 1988; Crovetto, 1992).

Auswirkungen auf physikalische Bodeneigenschaften

Unter Direktsaat werden im Vergleich zur konventionellen Bearbeitung höhere Infiltrationsraten gemessen (Roth, 1985), was zu einer drastischen Reduzierung der Wassererosion führt (Harrold und Edwards, 1972). Direktsaat mit mehr als 60 Prozent Bodenbedeckung schützt den Boden auch wirksam gegen Winderosion. Unter der Mulchdecke wird eine höhere Bodenfeuchtigkeit, eine reduzierte Bodentemperatur und eine höhere Aggregatstabilität gemessen (Sidiras und Pavan, 1986). Obwohl bei Direktsaat eine höhere Bodendichte gemessen wird, werden im allgemeinen aufgrund der Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit in Argentinien, Brasilien und Paraguay höhere Erträge in diesem System gegenüber dem konventionellen Ackerbau erzielt.

Auswirkungen auf biologische Bodeneigenschaften

Da keine Bodenbearbeitungsgeräte den Bau und die Gänge der Kleintiere zerstören oder diese der direkten Sonneneinstrahlung und hohen Temperaturen ausgesetzt werden, wird eine höhere biologische Aktivität unter Direktsaat gemessen. Hinzu kommt, dass die Mikrolebewesen unter Direktsaat ausreichend organische Substanz an der Oberfläche für ihre Ernährung finden. Weiterhin wirken sich die günstigeren Feuchtigkeits- und Temperaturverhältnisse positiv auf das Bodenleben aus. Es werden deshalb unter Direktsaat im Oberboden mehr Regenwürmer, mehr Artrhopoden (Acarina, Collembolen, Insekten), mehr Rhizobien, Bakterien und Aktinomyceten, aber auch Pilze und Mycorrhyza festgestellt (Voss und Sidiras, 1985).

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Pflanzengesundheitliche Aspekte

Einige Pflanzenkrankheiten nehmen in Direktsaat zu. Deshalb darf Direktsaat nie als Monokultur betrieben werden. Eine ausgewogene Fruchtfolge reicht im allgemeinen aus, um den erhöhten Krankheitsbefall in Direktsaat zu neutralisieren. In Bezug auf Schädlinge kann sich die Direktsaat sowohl positiv als auch negativ auswirken. Dies hängt vom spezifischen Schädling ab sowie von den klimatischen Bedingungen der einzelnen Jahre. Im allgemeinen nimmt die Vielfalt der Insekten, Milben, usw. zu, da sie in der Mulchschicht bessere Bedingungen zur Vermehrung finden. Dies hat den Vorteil, dass sich viele Nützlinge entwickeln, so dass oft der Einsatz an Schädlingsbekämpfungsmitteln reduziert werden kann. Das Direktsaatsystem potenziert die biologische Schäädlingsbekämpfung (Kliewer und Candia, 1998).

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Ökologische Aspekte

Eine intensive Bodenbearbeitung beschleunigt die Mineralisierung der organischen Substanz und verwandelt Pflanzenrückstände in Kohlendioxid. Das Kohlendioxid wird in die Atmosphäre freigegeben und trägt so zum Treibhauseffekt und zur globalen Erderwärmung bei. Während fossile Brennstoffe die wichtigsten Erzeuger von Kohlendioxid sind, wurde errechnet, dass die konservierende Bodenbearbeitung (> 30% Pflanzenrückstände an der Oberfläche nach der Saat) bis zu 16 Prozent der weltweiten Emissionen durch fossile Brennstoffe ausgleichen könnte (Kern und Johnson, 1993).

Die Wasserqualität wird durch Direktsaat verbessert. Während das abfließende Wasser aus konventionell bearbeiteten Wassereinzugsgebieten eine braune Farbe hat und viel Bodensedimente mit sich trägt, kann aus Wassereinzugsgebieten in Brasilien, die im Direktsaatsystem bestellt werden, beobachtet werden, dass das abfließende Wasser auch nach starken Niederschlägen relativ klar ist. Weiterhin ist die Belastung des Grundwassers durch Nitratauswaschung deutlich geringer (DLG, 1995)

Herbizide: Obwohl chemische Pflanzenschutzmittel verwendet werden, um Unkräuter abzutöten, kann eine höhere biologische Aktivität im Direktsaatsystem beobachtet werden (GTZ,1988). Dies ist ein Indikator für einen gesünderen Boden. Die Befürchtung, es sei ein höherer Herbizideinsatz erforderlich, hat sich in der Praxis nicht bestätigt und die erfahrenen Bauern berichten von einer Reduzierung von etwa 20 Prozent gegenüber dem herkömmlichen Verfahren. Neuere Untersuchungen zeigen, dass im Direktsaatsystem bei gezielter Anwendung von Gründüngung und Fruchtfolge auf Herbizide über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren völlig verzichtet werden kann.

Neben den bereits erwähnten positiven Aspekten der Direktsaat weist dieses System auch arbeitswirtschaftliche Vorteile für den Bauern auf, da die zeit- und energieaufwendige Bodenbearbeitung entfällt. Es sind weniger PS je Hektar erforderlich und die Schlepper haben eine höhere Lebensdauer. Schließlich zeigen ökonomische Untersuchungen, dass das System wirtschaftlicher ist und deshalb vom Bauern gerne angenommen wird (GTZ, 1988).

Management: Das Direktsaatsystem stellt höhere Anforderungen an die Managementfähigkeiten und auch an das Verständnis des gesamten Systems von Seiten der Bauern. Mangelnde Kenntnisse sind das größte Hindernis für eine schnelle Verbreitung des Systems.

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Entwicklung und Verbreitung der Direktsaat

Die größte Verbreitung hat die Direktsaat mit 19,8 Millionen Hektar in den USA erfahren. Brasilien rangiert mit 12 Millionen Hektar an zweiter, Australien mit 8,6 Millionen Hektar an dritter und Argentinien mit 8 Millionen Hektar an vierter Stelle. Danach folgen Kanada mit 4,1 Millionen Hektar und Paraguay mit 800.000 Hektar. Die ersten Versuche mit Direktsaat in Lateinamerika wurden durch ein Projekt der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) in Zusammenarbeit mit einem nationalen Forschungsinstitut 1971 gestartet (Derpsch, 1998). Weltweit werden etwa 55 Millionen Hektar im Direktsaatsystem angebaut. Davon entfallen rund 82 Prozent auf Amerika (Nord und Süd), 16 Prozent auf Australien und weniger als 2 Prozent auf Europa, Asien und Afrika zusammen. Trotz langjähriger positiver Forschungsergebnisse, hat das Direktsaatsystem in diesen drei Kontinenten, nur eine geringfügige Verbreitung gefunden. Im Jahre 1998 erstellte die GTZ eine Studie, um das Potential der Einführung der Direktsaat in Afrika zu untersuchen (GTZ, 1998). Obwohl klimatische und/ oder sozioökonomische Bedingungen die Einführung in manchen Regionen Afrikas schwierig gestalten, bieten einige Ökoregionen ein gutes Potential für die Anwendung der Direktsaat als nachhaltiges Anbausystem. Prozentual zur Gesamtanbaufläche mit einjährigen Kulturen verzeichnet Paraguay mit 52 Prozent weltweit die höchste Anwendungsrate der Direktsaat, gefolgt von Argentinien mit 32 Prozent, Brasilien mit rund 21 Prozent und den USA mit nur 16,3 Prozent.

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Schlussbemerkungen

Der Pflug kann heute ohne Zweifel als das wichtigste Instrument angesehen werden, das zur Zerstörung von Millionen Hektar fruchtbaren tropischen und subtropischen Bodens beigetragen hat. Es ist an der Zeit, dass wir ihn von dem hohem Sockel herunterholen, auf dem er sich in unserem Kulturverständnis befindet. 

Die verstärkte Anwendung der Direktsaat bietet sich als Alternative zur derzeit praktizierten Landwirtschaft an. Die langfristigen Gewinne einer weitreichenden Umkehr zur Direktsaat könnten größer sein als jede andere Innovation in der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern (Warren, 1983).

Es wäre angebracht, wenn unsere politischen Entscheidungsträger auch zu dieser Erkenntnis kämen und sich mehr für die Erforschung, Entwicklung und Verbreitung des Systems in der Dritten Welt einsetzen würden, um so endlich die ersehnte, aber selten erreichte, nachhaltige Landbewirtschaftung in die Praxis umzusetzen.

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